«Die Romantik wurde zu viel besungen»
Der neue
Madrigalchor hat sich der Musik des Mittelalters verschrieben – und findet hier
zahlreiche Fans und Freunde.
Ehlhalten. Für zwei Stündchen schien über der Pfarrscheune ein
Zauber zu liegen: Unvertraute mittelalterliche Gesänge erklangen da im Dachgeschoss. Der Madrigalchor und seine Dirigentin Ennikö Szendrey hatten zu einer
«musikalischen Kurzweil» geladen. Nicht zu viel versprochen, wie sich
herausstellte: Denn das abwechslungsreiche Programm mittelalterlicher Musik bot
sowohl viele unterhaltsame und lustige Lieder als auch ernstere und fast
mystische Stücke. Sie alle erzählten vom Leben damals, das zwar einfacher
strukturiert, aber auch unbequemer und härter war: Zeiten, in denen eine junge
Frau noch Maid genannt wurde, Zauberei noch kein
Hokuspokus war und Mäuseplagen zum Alltag gehörten.
«Es beißt
und sticht, es zwickt und pickt», hieß es da etwa in dem Refrain des Lieds «der
Floh» von Erasmus Widmann. Hier schildert der Musiker und Komponist, der zwischen
1572 und 1634 gelebt hat, humorvoll und anschaulich, welche Qualen vor allem
das Frauenvolk erleiden musste, das anscheinend
besonders gerne von dem Ungeziefer heimgesucht wurde. In Widmanns «Mäuselied»
wird dann besungen, wie man durch ein tödliches Pulver alle Arten der Spezies
auf unkomplizierte Art loswerden kann – egal ob Spitz-, Feld- oder irgendeine
andere Maus.
Schwer zu singen
Diese Lieder
dienen der Unterhaltung. Doch der Zweck sagt offenbar nichts über den Anspruch:
«Die sind sehr schwer zu singen, die tun nur so einfach», erklärte Ennikö Szendrey glücklich
strahlend nach dem Konzert. Die 49-Jährige ist begeistert von der Musik des
Mittelalters: «Sie entführt mich völlig in andere Sphären.» Manchmal könne sie
die alten Gassen, die besungen würden, geradezu riechen. Andere Stücke, wie der
«1. Merseburger Zauberspruch», wirkten auf sie wiederum eher meditativ.
2007 hat
sich der Chor, der dem Eppsteiner Kulturkreis
angehört, anlässlich der 775-Jahr-Feier Ehlhaltens gegründet. Dass das
Mittelalter und seine Musik gerade boomt, lässt sich
aus Szendreys Sicht mit dem Bedürfnis nach
Abwechslung erklären: «Die Romantik, so schön wie sie ist, wurde schon zu viel
gesungen», sagte die in Ungarn geborene ausgebildete Sängerin.
Fremdartig und lustig
Und
tatsächlich: Die Neugier und die Lust an spezieller Musik schien viele der
Besucher angelockt zu haben. So ging es etwa Gisela Kümmerle
und Angelika Müller, die den Nachmittag sehr genossen. «Fremdartig», «lustig»,
aber auch «melancholisch» beschrieben die Ehlhaltenerinnen
die Stücke. Durch Ausführungen von Moderatorin Birgit Menigat
sei es ihnen leicht gefallen, die Musik einzuordnen. Beflügelt wurde die
Fantasie der Besucher jedoch nicht nur durch die ungewöhnlichen Klänge, sondern
auch durch die Sänger selbst, die wie die Moderatorin und die Dirigentin in
mittelalterliche Gewänder gehüllt waren. Zudem wurden mittelalterliche
Instrumente gespielt wie das Krummhorn und die Kornamuse.
Nach dem
Konzert ging es kurzweilig und kulinarisch weiter: Bei einer Lomardischen Suppe und einem Glas Met konnten sich die
Zuhörer und die Sänger über den Reiz längst vergangener Zeiten austauschen den
Köstlichkeiten aus dem Mittelalter probieren. tay
Informationen
zum Chor gibt es bei der Dirigentin unter enikoe@t-online.de (tay)
Artikel vom
08. Februar 2011, 03.31 Uhr (letzte Änderung 09. Februar 2011, 13.06 Uhr